Werfen wir vor lauter Rücksichtnahme zu viele Wattebällchen?

Die Forderung nach
Rücksichtnahme ist oft
Ein.Sich.Drücken.
Lass mich in Ruhe.
Ich will’s nicht wissen.
Da sind sogar
Wattebällchen
Handgranaten.
Realitätsverweigerung
zugunsten der eigenen
Wahrheitspflege.
Passend dazu
kommen aus
soziologischen
Brutanstalten
trickreiche
Erfindungen
wie Cancel Culture
(frei übersetzt:
Kulturzensur),
die diese
überempfindlichen
Gemüter zusätzlich
vor unangenehmen
fremden Meinungen
bewahren sollen.
Es ist richtig,
Sexismus oder
Rassismus
entschlossen zu
bekämpfen, aber
dafür sind weder
Vogel-Strauss-Nummern
sinnvoll noch
Taschenspielertricks.
Es genügt, mit einer
klaren Sprache auch
einmal ins Risiko
zu gehen.

 

12 Gedanken zu “Werfen wir vor lauter Rücksichtnahme zu viele Wattebällchen?

  1. Karlheinz sagt:

    Ich versuche es einmal anders zu formulieren. Vielleicht war dann der Abend für uns alle eine Lehrstunde.
    Die Ursache liegt meines Erachtens in der Wahl des Themas und der Einleitung.
    Die Aufforderung, auf Wattebällchen zu verzichten, führt zur verbalen Entgleisung. Vor allem, wenn man sie mit militärischen Verbalien anreichert. Da wird aus dem Disput ein Wortgefecht, eine Attacke, eine Schlammschlacht. Aus der These ein Schützengraben und aus dem Argument eine Handgranate. Oder neudeutsch; Bullshit. Geistige Auseinandersetzung zum Kriegsschauplatz. Philosophie zur Reality Show. Da werden zaghafte Gemüter zum Kriegsverweigerer. Moderatoren zum Showmaster. Ein Trüffel suchender Saurüssel zur Ebersuhle.
    Das liefern uns Medien täglich frei Haus. All included.
    Philosophie ist aber ein Weg, durch Nachdenken zur Erkenntnis zu kommen. Das Ziel nennt man auch Weisheit. Das wäre eine Alternative zum Reichtum oder besser, die Ergänzung zum Wohlstand, um glücklich zu werden.
    Es erfordert allerdings die Entwicklung der geistigen Hälfte des Menschseins, die uns vom Primaten unterscheidet. Die hat nichts mit Materie, Physik, Wirtschaft, körperlichen Tod, Begehren nach Mehr und vielen Themen, die wir seit Corona behandeln, zu tun. Vielleicht hat uns Covid 19 oder der Zeitgeist infiziert? Oder beides?
    Die Symptome sind verdächtig. Verrohung, Verzicht auf Moral, das Begehren nach immer Mehr, der Wunsch nach Erfolg, Krieg. Wo bleibt da der Geist? Liebe, Glück, Glaube, Hoffnung, Freude, Gefühle, Emotionen, Frieden (Zufriedenheit), Gerechtigkeit, das Metaphysische, das Göttliche? Da wird der Mensch zum Objekt.

    1. Peter Deller sagt:

      Lieber Karlheinz, nachdem du dich jetzt mehrmals zu meinem Vortrag kritisch geäußert hast, möchte ich gerne versuchen, meine Motivation zu schildern, warum ich den Vortrag so gehalten habe. Bereits als Schüler habe ich gelitten unter monotonen Vorträgen vieler Lehrer, mir gelang es damals nicht, und ich tu mich auch heute noch schwer, bei solchen Vorträgen das Dargebotene verinnerlichen zu können. Das ist wohl meinem Lerntyp geschuldet. Darum habe ich mir angewöhnt, nicht nur im beruflichen Bereich, zu den Mitarbeitern, laut und deutlich zu sprechen, sondern grundsätzlich bildhaft und deutlich zu sprechen.
      Wie ich deinen Posts entnehme findest du das grundsätzlich showmasterhaft und unphilosophisch. Es gibt aber keinen Zusammenhang zwischen monotoner Vortragsweise und philosophischem Gehalt oder Tiefsinn. Richard David Precht zum Beispiel gelingt es spannend vorzutragen, den empfinde ich als anregenden Denker (auch wenn er von seinen Gegnern als „Helene Fischer“ der Philosophie bezeichnet wird).
      Du schreibst in deinem post „du hast gewagt zu widersprechen“ und du seist kritisiert worden. Das einem widersprochen wird, finde ich jetzt grundsätzlich nicht unüblich in unserer Staatsform. Ganz im Gegenteil, es ist eine Qualität des Stammtisches, dass man sich ausprobieren kann, dazu gehört auch Widerspruch.
      Nachdem ich auch wohlwollende und lobende Rückmeldungen bekommen habe, denke ich, dass dein ausgesprochenes Missfallen auch mit deiner (im Text angesprochenen) nicht sehr ausgeprägten Kritikfähigkeit zu tun haben könnte? Ist das so?
      LG Peter

  2. Karlheinz sagt:

    Renovierter Stammtisch. Reality Show statt Philosophie. Man muss nur die Kiste weit genug öffnen, damit für jeden etwas dabei ist. Wie auf der politischen Bühne. Je derber und lauter, desto mehr wird geklatscht oder gebuht. Ohne Metaphysik. Ohne Gott. Das Forum wird zur Entsorgung eigener Überzeugungen, statt Ladestation neuer Ideen. Nachdenken verkümmert. Statt Moderatoren sind Showmaster erwünscht. Statt eigener Gedanken werden Kommentare zu likes oder dislikes. Das sind die neuen Schützengräben. Mit dem Daumen werden Wattebällchen geworfen. Rücksichtslos.
    Sensible Gemüter sind da nicht mehr gefragt. Für Philanthropen und Soziologen wird es eng. Sie werden als Kulturzensoren empfunden. The show must go on.
    Es ist tatsächlich eine Zeitenwende – nur anders herum. „Retour à la nature!“ aber ohne Geist.

    1. hans-peter kuhn sagt:

      Lieber Karlheinz,
      bravo, Dein post lässt die Sau raus…
      Zum Inhalt kann jeder denken, was er will…
      Eins steht fest: Redaktion, Stil, Struktur und Dramaturgie sind hervorragend.
      In diesem Sinne ist es mit grossem Abstand der beste post, den Du je geschrieben hast.
      Warum? Weil man versteht, was Du sagen willst.

      Weiter so!!!

      1. Karlheinz sagt:

        Danke für die Bewertung. Es ist nur nicht mein Ding, immer die Sau raus zulassen, um verstanden zu werden. Wattebällchen sind mir zu unpräzise. Wilfrid Schmickler, der Mitternachtsspitzen-Star ist da viel deutlicher, den Zeitgeist zu erklären.

  3. Peter Deller sagt:

    Hans-Peter Kühn trifft den Kern. Ein Zuviel an “Political Correctness” ist nicht mehr der Geist Rousseaus und Voltaires, sondern das sind neue Jakobiner. Ein Hoch auf die Schönheit verbaler Rauflust.
    LG Peter

    1. Hans Zangl sagt:

      Lieber Peter
      verbale Rauflust bedeutet übersetzt, wer setzt sich verbal durch, welche Argumente “überzeugen”, wer bekommt “recht”, wem fliegen die Herzen zu, wer wird gewählt, wer wird “siegen”, wer ist der lauteste. In der Philosophie geht es aber nicht darum, wer und was sich aktuell, kurzfristig “durchsetzt”, was gerade Zeitgeist ist, in der Philosophie sollte es um wertfreie Erkenntnisse des “Seins” gehen.

      Erkenntnisse, die sich auf der Basis von fachlich fundiertem Wissen und Argumenten bilden. Diese Erkenntnisse ohne Rücksichtnahme auf sog. Empfindlichkeiten gegenüber anderen Personen einerseits fachlich klar zu vertreten und andererseits die Erkennnisse der Gesprächspartner ebenfalls ohne Empfindlichkeiten aufzunehmen und für seine eigene Erkenntniswelt zu verarbeiten, das verstehe ich unter Philosophie. Dieses Verarbeiten von Argumenten anderer Personen ohne persönliche Bezugnahme und Wertung von Aussehen, Bildungsgrad, Religion, politischer Richtung, Beruf, Rasse etc, das ist Philosophie, da muss man nicht verbal raufen.

      1. Peter Deller sagt:

        Lieber Hans, nachdem du am Mittwoch nicht anwesend warst, möchte ich gerne kurz schildern, in welchem Kontext das Wort Rauflust steht. In meinem Vortrag habe ich versucht aufzuzeigen, dass sprachliche Sensibilität nicht automatisch und an jeder Stelle gut sein muss. Ein Beispiel: ich habe als Kind nie „Führungspersönlichkeit indigener Völker Nordamerikas“ gespielt, sondern ich war “Indianerhäuptling”. Das ist aber ein Wort das sprachpolizeilich nicht mehr korrekt ist. Sich dagegen aufzulehnen oder sprachlich widerständig zu sein – das wollte ich damit sagen. Nun weißt du, dass ich Handwerker bin und sprachlich wohl manchmal zu hemdsärmelig. Ich lerne aber grundsätzlich gerne dazu und versuche mich in Zukunft differenzierter auszudrücken. Danke für den Hinweis.
        LG Peter

  4. hans-peter kuhn sagt:

    Rücksichtnahme und Wattebällchen sind die Schützengräben und Kanonenkugeln der “Political Correctness”.
    Unter dem Mantel der Feinfühligkeit setzt sich die letztere rücksichtslos über sprachliche Gepflogenheiten und traditionnelle Gebräuche hinweg, mit dem Ziel der Rücksicht auf alles und jeden.
    Ihr Bayern und ich Preusse, wir bevorzugen die kernige, saftige, schnörkellose Ausdrucksweise.
    Das sei gelobt!!!

    Herr Ober, noch eine Runde bitte!

  5. Karlheinz sagt:

    Rücksichtnahme
    unter diesem Stichwort sollte am Mittwoch, über den Umgang mit anderen Menschen philosophiert werden. Das Impulsreferat, war etwas kompliziert, verschachtelt und mit „neuen“ Termini belegt, so dass man selbst nach einer Stunde noch nicht zur Sache kam. Als ich wagte, dass Benehmen etwas mit Bildung zu tun hat, wurde heftig widersprochen. Selbst die Erläuterung, dass die häusliche Erziehung, zusammen mit der Schulbildung das Fundament unserer Bildung sei, kam nicht an.
    Was ist passiert? Bei Veronika funkte es, mit dem Einwurf, dass es mit Herzensbildung zu tun hätte. Vielleicht läge es gerade daran, dass deswegen in Bayern und Österreich ein unterschiedlicher Umgangston herrscht? Trotz ähnlicher Schulsysteme.
    Der Wiener Schmäh wäre danach so ein Wattebällchen, das den Umgang miteinander erträglicher macht. Er ist zwar manchmal sarkastisch, was beim Wiener humorvoll bedeutet. Mir ist „Verehrtester“ lieber, als „oida Orsch“.
    Global betrachtet, kann man feststellen, dass der Umgangston derber wird und ein Zusammenhang. Der Mensch wird zum Objekt. Die Wortklauber haben Hochkonjunktur. Da kann man Rassismus, Feminismus, Nationalismus, Pazifismus, Impfablehnung, Gendern und Agnostizismus gleich mitabarbeiten und auf Watte verzichten.
    Benimm war gestern.
    Ursache? Mit dem Wohlstand wuchs der Egoismus – verschwanden Monarchien. Mit Ihnen die höfische Etikette (auch Höflichkeit genannt). Den Dolchstoss geben die „sozialen Medien“.

    1. Bettina sagt:

      Lieber Karlheinz,
      wie kannst Du Rassismus, Feminismus, Nationalismus, Pazifismus, Impfablehnung, Gendern und Agnostizismus in einer Zeile nennen?
      Für mich haben da Gendern, Agnostizismus, Feminismus und Pazifismus nichts zu suchen, oder sehe ich das falsch?
      Global betrachtet, finde ich, war der Umgangston immer sehr unterschiedlich. In Frankreich flötet man fast und sagt immer Madame, Monsieur dazu, in Italien auch und man gibt viel Raum für kleine Gespräche. In Westafrika fragt man zig-mal nach dem Befinden des Angesprochenen und der ganzen Familie; das hört sich an, wie ein Mantra. In Thailand sind die Höflichkeitsformeln extrem komplex und für uns fast undurchschaubar. Für mich hat das auch viel mit Zeit zu tun. Zeit, die man bereit ist, dem Gegenüber zu schenken oder auch nicht.

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