Wo ist sie denn, unsere individualistische Kultur?

Wenn ich in der Schule schlecht bin,
schlagen meine Eltern den Lehrer.

Wenn ich fett werde,
berufe ich mich auf meine Gene.

Wenn ich zu dünn bin,
sind die falschen Vorbilder schuld.

Wenn ich Alkoholiker werde,
ist das Suchtzentrum im Hirn verantwortlich.

Wenn ich Heroin drücke,
dann ist meine Familie schuld.

Wenn ich Täter werde,
schiebe ich es auf meine Determiniertheit.

Wenn ich Opfer werde,
schiebe ich es auf den Täter.

Wenn es mir schlecht geht,
bitte ich Gott um Hilfe.

Wenn Gott nicht hilft,
ist der Teufel daran schuld.

Wenn ich als Politiker nichts mache,
dann ist die Faktenlage dafür verantwortlich.

Wenn ich als Manager versage,
muss die Firma für mich sorgen.

Das großartige, das einzigartige,
das hoch autonome, überaus individuelle
Ich war eine Erfindung der Deutschen.
Der deutschen Romantik.
Wirklich, sehr, sehr romantisch.
Mit der Wirklichkeit hat sie nichts zu tun.

 

5 Gedanken zu “Wo ist sie denn, unsere individualistische Kultur?

  1. Karlheinz sagt:

    Lieber Augustinus. Deine Fragen sind nicht einfach zu beantworten. Natürlich gehören Eigenverantwortung mit den damit verbundenen Konsequenzen zusammen. Schwierig wird es, wenn es um das Gemeinwohl geht. Da ist es die Verantwortung aller und dauert oft Generationen bis das Bewusstsein erkennt, dass Verzicht, Einschränkungen und vor allem Änderungen notwendig sind, um gemeinsam besser zu überleben. Momentan ist eine Mehrheit bereit zur Änderung, so lange es für ihn selbst keine Konsequenzen nach sich zieht. In der Psychatrie nennt man diesen Zustand schizophren.
    Was meinen eigenen Reifeprozess anbelangt, so hoffe ich, dass ich noch vor der Ernte (Ende) genießbar werde. Das können aber nur andere beurteilen, da Früchte sich nicht selbst schmecken können.

    1. Karlheinz sagt:

      Doch. In deinem vorangegangem Katalog listest du die häufigsten Beispiele für unverantwortliche Argumente sorgfältig auf. Wenn du mich mit eigen meinst, so befinde ich mich auf der Seite der Mehrheit. Ich bin noch nicht ganz ausgereift. Mal sehen, ob ich es bis zur Ernte noch schaffe.

      1. Augustinus sagt:

        Hallo Karlheinz, dein Kommentar, was ein erwachsener Mensch ist, ist sehr gut. Nur eines fehlt mir, müsste er nicht auch bereit sein, die Konsequenzen hinzunehmen für das, was er tut. Beispiel Greta: wenn sich die Wirtschaft so ändern würde, wie sie es sich vorstellt, hätte es vermutlich unvorhersehbare Konsequenzen. Nur ich glaube, es wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Der Widerstand der globalen Gesellschaft ist zu groß. So stellt sich die Frage nicht, ob sie erwachsen ist.
        Noch eine letzte Frage, was ist für dich Ernte. Wenn du als reife Frucht vom Ast fällst oder wenn dich der Schöpfer in deinem Prozess der Reife pflügt.

  2. Karlheinz sagt:

    Lieber Detlev. Was hat denn die Liste mit Ausreden mit dem Thema des Abends zu tun? Unter einem modernen Individualisten stelle ich mir einen Typus vor, der gereift ist. Damit ist nicht der Hauptschulabschluss, Lehre, Abitur oder Hochschuldiplom gemeint, sondern ein Mensch, der erwachsen geworden ist. Der eigenverantwortlich handeln kann. Der entscheiden kann. Der unterscheiden kann, zwischen Ursache und Wirkung. Der gestalten kann. Der sich eine eigene Meinung bildet und gewahr ist, nicht alleine auf der Welt zu sein.
    Die natürlichen Voraussetzungen dazu sind angeboren. Die 3 wichtigsten Talente sind; 1.Der Mensch – ein geistiges Wesen.2. Der Mensch ein soziales Wesen. 3. Der Mensch ein Entscheidung treffendes Wesen. Mit dieser Grundausstattung kommt er in den Ring und seine Trainer versuchen aus ihm einen Meister zu machen, damit er seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann.
    Seit Menschengedenken waren Trainer „gewerkschaftlich“ organisiert, im Dachverband der Autokratie.
    Mit der Aufklärung im 17./18. Jahrhundert ist ein Reifungsprozess in die Vorphase gekommen und Ideen der Freiheit fingen an zu keimen. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts kommen wir zu der Erkenntnis, dass mit den alten Regeln der Autokratie (Befehl und Gehorsam) nicht die Höchststufe zu erklimmen ist. Versuche mit liberalen Modellen, das Individuum zu begrenzen, sind gescheitert.
    Damit stehen wir vor der letzten Herausforderung, nämlich unsere angeborenen Talente zu verknüpfen, mit der Tatsache, dass die Gemeinschaft immer größer wird. Mit anderen Worten; die alten Regeln eine Familie, Stamm, Stadt, Land zu organisieren, genügen auf globaler Ebene nicht mehr. Die im 20. Jahrhundert weltweit eingebrachten Verfassungen, stoßen an ihre Landesgrenzen.
    Die Charta der Vereinten Nation ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zur Umsetzung gehört die Tat und dazu benötigt man Willenskraft. Die ist beim Neugeborenen noch vorhanden, beim Erwachsenen durch autokratische Erziehungsmuster abhanden genommen worden. Babys fangen an zu schreien. Erwachsene lassen sich ruhig stellen.
    Die Jugend zeigt uns einen neuen Weg. So lange zu protestieren bis sich etwas ändert.
    Meine Hochachtung vor Greta Thunberg, die einen Weg zeigt, wie Individualisten eine Gemeinschaft neu gestalten kann

    der alte Querdenker Karlheinz.

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