Die spirituelle Wahrheit
ist nicht durch
theoretische Überlegungen
(Was ist Wahrheit?),
sondern durch die
Intuition der praktischen
Erfahrung gewonnen
(auf meine Gefühle
kann ich mich verlassen),
arbeitet nicht mit
faktenorientierten
Wahrheits-Aussagen
(der Tatverdächtige hat um
17 Uhr 39 das Haus betreten)
und sieht infolgedessen
auch keinen Sinn darin,
darüber zu verhandeln
(Zeuge, können Sie
17 Uhr 39 bestätigen?),
ob etwas wahr ist,
was andere sagen.
Der Spirituelle sucht
die Wahrheit in sich,
der Rationale in den Fakten.
Also:
Bei der Wahrheitssuche
das Übersetzungsprogramm
einschalten, wenn der
Andere ein Anderer ist.
Das mit der Wahrheit ist so eine Sache. Dazu eine kleine Erinnerung aus Jugendzeiten.
Kurz nach dem Krieg wohnten wir in Moosen. Um in die Schule nach Rosenheim zu kommen, musste ich bis zum Bahnhof in Stephanskirchen laufen. Im Februar war es morgens noch dunkel. In der Kuhle im Hohlweg hinter Pietzing sah ich eine Gestalt sitzen und bekam Angst. Ich wollte davonlaufen, bin aber dann doch weitergegangen. Aus der Nähe entpuppte sich die Gestalt als großer Wurzelstock, der am Tag zuvor noch nicht da gewesen war.
Das war die rationale Wahrheit. Wäre ich davongelaufen, hätte ich das daheim begründen müssen und hätte sicher wahrheitsgemäß berichtet. Vielleicht wären daraufhin Erwachsene losmarschiert. Weil inzwischen die Sonne schien, hätten sie den Holzblock frühzeitig gesehen und somit erkannt, dass ich ein Angsthase und Träumer war. Das ergab drei Wahrheiten, wovon nur eine den Fakten entsprach. Aber keine war spirituell.
In der Philosophie ist die Wahrheit ein sehr weitläufiger Begriff, der vielerlei Auslegungen erlaubt. Dabei scheint mir nicht eindeutig klar, ob die dabei definierten Wahrheiten immer Tatsachen berücksichtigen, Theorien wiedergeben oder gar nur Meinungen entsprechen.
Ich habe mir da eine Auslegung zurechtgelegt, die vielleicht zu einfach ist: Eine Aussage entspricht der Wahrheit, wenn sie einen Sachverhalt korrekt wiedergibt. Dabei kann der Sachverhalt erlerntes Wissen sein. Es ist eine Tatsache, dass sich die Erde dreht, obwohl dies niemand verspürt. In Kalendern werden der Aufgang und Untergang der Sonne zeitlich korrekt angegeben und doch ist es auch richtig, dass die Sonne nicht auf- und untergeht.
Wahrheit ist für mich, wenn ich sagen kann, es ist so. Allgemeingültige Wahrheit ist, wenn alle sagen können, so ist es. Daneben mag es noch private Wahrheiten geben: Überzeugungen, die hoffentlich begründet sind, aber keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können.
Jeder hat seine eigene Erfahrungs-Wahrheit. Der Rest ist Glauben.
Sowohl an spirituelle als auch an sog. wissenschaftliche Aussagen.
Wenn es nur die “Jeder-für-sich-Wahrheiten” gäbe, gäbe es keine Gemeinschaften, keine politischen, keine religiösen, keine wissenschaftlichen, keine Paarungs-Gemeinschaften. Wie immer sich auch eine Gesellschaft formiert, ohne gemeinsame Wahrheiten würde sie nicht funktionieren. Und wenn es die von oben verordnete Wahrheit in einer Diktatur ist.
Deine Aussage ist mehr den sogenannten Meinungen oder Überzeugungen zuzuordnen und wird oft verwendet, um verständlich zu machen, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, den Begriff Realität zu verwenden. Aber auch da gibt es unterschiedliche Standpunkte und uns bleibt gar nichts anderes übrig, als uns dem Ergebnis von Gemeinschaften zu beugen. Aber auch bei wissenschaftlichen und gesellschaftlichen “Wahrheiten” ist zur Beweisführung Sachverstand erforderlich. Erst wenn man nur noch seiner eigenen Wahrheit traut und Gemeinschaften von Experten misstraut, wird es Glaubenssache.
Wahrheiten sind das Ergebnisse von Wahrnehmung oder auch Erfahrung genannt. Da jeder Mensch nur seine Eindrücke wahrnimmt, kann man sich vorstellen, wie viele Wahrheiten auf unserem Planeten kursieren. Dabei ist die Zahl der wissentlich gefälschten „Tatsachen“, auch als Lüge oder fake bekannt, noch gar nicht mitgerechnet. Es gibt aber auch noch mutierende Wahrheiten. Da wird es richtig spannend. Am besten gefällt mir die Version A. Schopenhausers; Zuerst wird sie lächerlich gemacht, dann verdreht, dann abgelehnt und bekämpft und am Ende als offensichtlich akzeptiert.
Adenauer hat es sich da einfacher gemacht; „es gibt die einfache Wahrheit, die reine Wahrheit und die Lautere“.
Mein Schwiegervater hat es noch besser auf den Punkt gebracht; „glaube meinen Worten mehr als deinen Augen“.
Wem oder Was soll ich da noch glauben???