Kann ein Satz das Hirn verändern?
So, dass ein Computerscan die
Änderung feststellt?
Denn nur dann verändern
wir unser Verhalten.
Der Satz heißt:
Wir haben zwei Leben und
das zweite beginnt,
wenn du erkennst,
dass du nur eins hast.
Der Satz ist eine Abrechnung
des brasilianischen Dichters
Mario de Andrade mit allen,
die ihn bisher am richtigen
Leben gehindert haben.
Mit allen, nicht mit allem.
Das heißt also, Menschen
hindern uns am richtigen Leben.
Nichts anderes.
Das zugehörige Gedicht
„Meine Seele hat es eilig“
findest du im Internet.
Bevor du es liest,
lass einen Hirnscan machen.
Und danach noch einen.
Dann weiß du, ob du
eine Chance auf ein zweites
Leben hast.
Oder nicht.
Wen es interessiert. Hier nochmal der Text wie er im Internet kursiert.
Ein Gedicht von Mario de Andrade (San Paolo 1893-1945) Dichter, Schriftsteller, Essayist und Musikwissenschaftler.
Einer der Gründer der brasilianischen Moderne.
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Meine Seele hat einen Hut
Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt, dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel Bonbons gewonnen hat: die ersten essen sie mit Vergnügen, aber als er merkte, dass nur noch wenig übrig war, begann er sie intensiv zu schmecken.
Ich habe keine Zeit für endlose Treffen, bei denen die Statuten, Regeln, Verfahren und internen Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen, dass nichts getan wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu unterstützen, die trotz ihres chronologischen Alters nicht erwachsen sind.
Meine Zeit ist zu kurz: Ich will die Essenz, meine Seele ist in Eile. Ich habe nicht mehr viel Süßigkeiten im Paket.
Ich möchte neben Menschen leben, sehr menschliche Menschen, die über ihre Fehler lachen können und die nicht von ihren eigenen Erfolgen aufgeblasen werden und die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Auf diese Weise wird die Menschenwürde verteidigt und wir leben in Wahrheit und Ehrlichkeit
Es ist das Wesentliche, das das Leben nützlich macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen, die Herzen zu berühren, mit denen die harten Striche des Lebens gelernt haben, mit süßen Berührungen der Seele zu wachsen.
Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig, mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich habe nicht vor, irgendwelche der restlichen Nachtische zu verschwenden. Ich bin mir sicher, dass sie exquisit sein werden, viel mehr als die, die bisher gegessen wurden.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden und in Frieden mit meinen Lieben und meinem Gewissen zu erreichen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast.
Der Text, den du veröffentlicht hast, unterscheidet sich in einigen Passagen von dem, der am Stammtisch-Abend verteilt wurde. Aber nicht so, dass dadurch die Basis-Idee eine völlig andere wäre. Bis auf die Überschrift: Meine Seele hat einen Hut. Erstens verstehe ich diese Metapher nicht, zweitens zahlt sie auch nicht auf den Schlusssatz ein: Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast. Da passt die andere Überschrift (des Textes, der am Abend verteilt wurde) schon sehr viel besser: Meine Seele hat es eilig.
Zwei Tippfehler:
wir uns Verhalten –> unser Verhalten
des brasilianischen Dichtes –> Dichters
Nur als Hinweis gemeint – weil es schade ist, wenn solch schöne Texte durch Tippfehler entwertet werden.
Liebe Grüße!
Peinlich, peinlich, meine Aufmerksamkeit war schon besser, danke für den Hinweis.
Das Gedicht habe ich auch gelesen und versucht zu verstehen. Es stellte sich für mich die Frage wann bemerkt der Dichter dass er nur ein Leben hat und was war die Ursache. War es der Tag als er keine Manipulierer und Opportunisten mehr ertragen konnte?
Mein Ziel ist, das Ende zufrieden zu erreichen – in Frieden mit mir, meinen Liebsten und meinem Gewissen. Diese Zeilen schrieb er am Schluss des Gedichtes. Ist er der Sinn des Geschriebenen?
Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich den Schluss (bis auf den letzten Satz) bisher immer überlesen. Zwar passen Maßnahmen (die richtige Auswahl der Menschen um einen herum) und Ziele (die du beschrieben hast) durchaus zusammen, was mich aber irritiert, sind die konsequente Unerbittlichkeit der Maßnahmen auf der einen Seite und die Sanftheit der Ziele auf der anderen. Mir kommt es so vor, als wenn der Dichter selbst nicht an seine Maßnahmen-Vorschläge geglaubt hat und am Ende seiner Tage seufzend meinte … eigentlich will ich doch nur meine Ruhe haben.
Ich war vorhin ziemlich umständlich. Lässt sich einfacher in einem Satz sagen. Die Radikalität der Maßnahmen passt nicht zur Konventionalität des Ziels. Das wiederum ist auch mit der amtlichen Philosophie erklärbar. Die Freiheit wovon ist einfacher zu beschreiben, als die Freiheit wozu. Selbst der Dichter findet dramatische Worte nur bei dem, was er los werden will, aber nicht für das, was er dann daraus machen könnte.