Bürgerrat oder Bürgerverrat?

93,3% finden die
Demokratie als Idee gut.
76,5% wie sie in der
Verfassung festgelegt ist.
Aber nur 53,2% wie sie in
Deutschland funktioniert.
Und genau beim letzten
Punkt passiert jetzt etwas.
Der Bürgerrat.
160 Bürger, die
repräsentativ
für alle deutschen
Bürger stehen, werden
PER LOS
ausgewählt,
Vorschläge für politisch
heikle Sachverhalte
zu erarbeiten.
Erstes Thema:
„Staatliche Eingriffe
in die Ernährung
oder nicht?“
Stichwort:
Sprunghafter
Anstieg von
Fettleibigkeit
Diabetes
Herz
Kreis
Lauf
Krankheiten
auf Grund
schlechter Ernährung.
Da der Bürgerrat
nicht selbst
entscheiden kann,
ob seine Vorschläge
umgesetzt werden,
sondern dies dann die
Parlamentarier tun,
rufen die Ersten schon:
S!Y!M!B!O!L!P!O!L!I!T!I!K
B!Ü!R!G!E!R!V!E!R!A!R!S!C!H!U!N!G!
Obacht.
Nicht zu schnell
mit dem Urteil.
Im ziemlich
katholischen
Irland hat
ein Bürgerrat
die Aufhebung des
Abtreibungsverbots
vorgeschlagen.
Der Vorschlag
wurde von den
irischen
Parlamentariern
umgesetzt.
Die Gegner
der Aufhebung
waren sich sicher,
mit ihren Verbindungen
in die Politik,
dass sie
diese verhindert
hätten, wenn,
ja, wenn da nicht
der Bürgerrat
gewesen wäre.
Wer jetzt noch
bedenkt, dass
beispielsweise
ein amerikanischer
Senator mindestens
50 Millionen Dollar
von Unterstützern
braucht, damit er
gewählt wird,
Unterstützer die
dann wiederum
vom Senator
unterstützt
werden wollen,
dem ist dann
schon die Frage
erlaubt:
Kann das Losen
statt Wählen
in manchen Fällen
nicht doch zu
einem besseren
Funktionieren der
Demokratie in
Deutschland führen?

 

11 Gedanken zu “Bürgerrat oder Bürgerverrat?

  1. Ekkehard sagt:

    Schade. Da habe ich letzten Mittwoch wohl was versäumt.
    Vom Bürgerrat erwarte ich nicht viel. Aber meine Meinung ist nicht wichtig. Vielleicht kommen da große Gedanken raus – und die können die hohen Damen und Herren, die den Weg beschlossen haben, nicht einfach ignorieren.
    Stammtischthema? – und ob! Seit zweieinhalb tausend Jahren beschäftigt sich die Philosophie mit Politik und deren Umgang und Auswirkung für die Menschen. Diese Einflüsse dürfen wir diskutieren, auch wenn uns natürlich der Ruhm eines Aristoteles oder Karl Popper fehlt.
    Und immer geht es auch um die Demokratie, wobei in Vorzeiten wohl mehr das hierarchische Ordnungsprinzip Vorrang hatte, ab der Aufklärung aber zunehmend der einzelne Mensch und seine Gleichberechtigung an Bedeutung gewannen.
    Ich habe Angst um unsere Demokratie, bin zwar Anhänger von Karl Popper, halte seine Aussagen für sehr optimistisch, vielleicht gar (Entschuldigung) manchmal naiv.
    Beispiel Popper: „Die Frage wer herrschen soll ist falsch gestellt. Es genügt, wenn eine schlechte Regierung abgewählt werden kann. Das ist Demokratie“.
    Ich wähle deswegen immer. Nur ist es anstrengend, die vermeintlich am wenigsten schlechte Partei zu wählen und sollte unmöglich sein als Protestwähler aufzutreten.
    Ich halte die Thematik für sehr wichtig und schlage sogar einen Stammtischabend dafür vor. Mein etwas provokanter Vorschlag: „Ist unsere Demokratie sehr krank oder liegt sie gar im Sterben“?

    1. Ralf-Peter Dr. Crimmann sagt:

      Kleine Nebenbemerkung zu unserer “Demokratie”. Wir haben im strengen Sinn des Wortes keine Demokratie, sondern eine Mischform aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie (positiv gesagt). Der Kanzler, nicht das Volk, bestimmt die Richtlinien der Politik (GG Art65). Der Bundestag, nicht das Volk, beschließt die Gesetze. Das Volk wählt alle vier Jahre die Abgeordneten, die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Das eine stärere Demokratie, als direkte, über Volksentscheid und Bürgerrat, zu wünschen ist, ist vielleicht utopisch, vielleicht auch gefährlich. Bisher sind wir mit unserer monarchisch, aristokratisch, demokratischen Mischform ganz gut gefahren. Ob dies so bleiben wird, mag dahingestellt sein. Jedenfalls halte ich nichts von der Diktatur der Kommune, auch nichts von der Revolution des Proletariats und auch nichts von der völkischen Revolution.

  2. Monica Lieschke sagt:

    Uff, sorry, kleine Dipl.Arbeit 😉
    „Polarisiert“ bzw. „gepalten“ sind zwei der momentan wohl am häufigsten verwendeten
    Zustandsbesfunde von Gesellschaft/en. Offenbar kein deutsches Phänomen,
    sondern bedenklicher Trend in Zeiten des Umbruchs und globaler Multikrisen, inkl. Klima und Migration.*
    Ob Bürgerräte hier als Demokratiebooster, Problemlöser, sozialer Kitt taugen?
    Ich weiß es nicht, hoffe es aber, zumindest als e i n Beitrag.
    Auf alle Fälle ist es einen (leider späten) Versuch wert. Allerdings einer, der besser gelingen sollte, denn Alibiaktionen und verpufftes bürgerschaftliches Engagement wirken genau gegenteilig, kontraproduktiv und vor allem lange nach, verstärken Politikverdrossenheit. Ihre Stärke zeigen sie eher präventiv – ähnlich politischer Bildung, die in z u aufgeheizter Stimmung als naiv belächelt wird als zahnloser Tiger.
    Bürgerräte gibt es auf allen Ebenen: Bund, Länder, Kommunen. Bei Letzteren habe ich im
    Zuge von Agenda 21 Prozessen viel gelernt über Empowerment, Engagement und pragmatische, kreative „tailor-made“ Lösungen. Wenn, ja wenn diese ernst genommen werden.
    Um Wahlen oder Losen kann es hierbei nicht gehen. Bürgerräte sind das Ohr an den Bürgern,
    viel mehr als es Meinungsumfragen je sein können. Denn es geht um Aktivwerden und sich involvieren.
    Und es geht auch nicht um Laien vs. Experten, denn Bürgerräte werden als Diskussionsgrundlage von hoffentlich geeigneten und unbestechlichen Expert*innen unterstützt und kundig gemacht.
    Es müssen also einige Rahmenbedingungen passen um Wirkung zu zeigen. Leider gibt es in den Medien derzeit ein großes Kuddelmuddel über die diversen Formen, Bürgerräte (NGO-driven), Bürgerforen (Koalitionsvertrag) und Gesellschaftsforen
    (als Forderung der „Letzten Generation“- mit Entscheidungskompetenz).
    Interessant ist, wer sich in D besonders heftig gegen die Einrichtung von Bürgerräten wehrt.
    Der deutsche Ethikrat begrüßt deren Einrichtung ausdrücklich.
    Weitere Information kann nicht schaden 😉
    *) Die ganz aktuelle Dresdner Studie (Mercator & You Gov) hält einige Überraschungen bereit:
    https://www.sueddeutsche.de/leben/gesellschaft-dresden-migration-polarisiert-vor-allem-rechte-klimawandel-linke-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230718-99-447291
    Deutschland liegt demnach im europ. Mittelfeld der polarisierten Gesellschaften, zwischen Italien, GR und H (ganz vorne) und NL und CSR (als Schlusslichter). Und wer besonders spaltet und insbes. in D ist z.T. auch eine Überraschung
    *****
    https://www.buergerrat.de/
    https://www.mehr-demokratie.de/mehr-wissen/buergerraete
    Empfehlenswert: Ex BP Gauk im EinzelInterview bei Lanz zur Demokratie: https://www.youtube.com/watch?v=mQArh9RuGLs
    Aus dem Koalitionsvertrag „Mehr Demokratie wagen“:
    Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt. Das Petitionsverfahren werden wir insgesamt stärken und digitalisieren und die Möglichkeit schaffen öffentliche Petitionen in Ausschüssen und im Plenum zu beraten

    1. Detlev Six sagt:

      Danke, Monica, für deine Diplomarbeit. Im Gegensatz zu vielen anderen, die ich kenne, bietet sie viele, konzentrierte und relevante Informationen. Ich werde sie nicht gleich, aber alle nutzen.

  3. Karlheinz sagt:

    Ein spannendes Thema. Nicht besonders geeignet für einen philosophischen Stammtisch.
    Unsere Befreier haben uns 1948 in die demokratische Freiheit entlassen. Ohne Schulung. Ohne Prüfung. Befreit aus einer Jahrtausende alten hierarchischen Ordnung. Ein freiheitliches Grundgesetz gab uns die Freiheit eine eigene Meinung zu bilden. Damit wurde uns weis gemacht, wir seien mündig und würdig. Unsere Vormünder dürften wir aus verschiedenen Parteien auswählen, die bestimmen, wer uns vorgesetzt wird und nach welchen Kriterien.
    Wir sollen funktionieren und etwas leisten. Das wird belohnt, damit wir uns etwas leisten können. Je mehr, desto besser. Jetzt sind wir eine individualisierte Leistungsgesellschaft. Programmiert auf Wachstum und Geschwindigkeit. Wir gehören zu den Exportweltmeistern, aber es mangelt an Menschen, Energie und Rohstoffen. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, aber wir werden immer kränker. Menschliche Fähigkeiten werden durch Roboter ersetzt. Billiger, zuverlässiger, schneller. Der Mensch wird zum Objekt.
    Meine Antwort auf das Thema der Woche lautet;
    Demokratie funktioniert nur als Gemeinschaft.
    Nicht mit erlesenen Bürgerräten, sondern mit einem Bildungssystem, das das Miteinander fördert und nicht den Wettbewerb.

    1. Monica Lieschke sagt:

      Ach, Karl-Heinz, seufze ich da! Dass das Thema nicht zu einem philosophischen Stammtisch passe, ist ein befremdlicher Befund. Den ich überhaupt nicht teile. Demokratia? Für mich eines der spannendsten Themen der letzten Zeit- und das nicht parteipolitisch. Warum “erlesen”? Demokratie ermöglicht Gemeinschaften, samt Widerspruch und Widersprüchen. Da gibt es nicht nur die eine- von oben verordnete. Du kannst wählen, welchen Gemeinschaften Du Dich zugehörig fühlst- auch welchen Religionsgemeinschaften. Deine Kritikpunkte und Befunde, sie sind nicht der Demokratie anzulasten. Zu beklagen und zu verbessern gibt es da sicher viel. Doch: Hast Du eine bessere Staatsform? Der Appell an Gemeinschaft passt irgendwie immer und verkommt leicht zur Plattitüde, wenn er sich nicht mit Leben und Vor-Leben füllt.

      1. Karlheinz sagt:

        Liebe Monica – wenn du etwas genauer meine Worte beachten würdest, wäre ein guter Ansatz, auch meine Meinung zu verstehen. Sie gehört zur Demokratie und unseren Grundrechten. Gut zuhören und genauer lesen ist empfehlenswert. Man entdeckt dann sogar, wie Namen geschrieben werden. Bewertungen sollten Objekten vorbehalten sein. Bei Menschen dienen sie nur dazu, sich über andere zu stellen und töten den Diskurs. “Erlesen” ist abgeleitet von dem “ausgelosten” Bürgerräten, von denen ich den Priener sogar mitbegründet habe. Dass Demokratie Gemeinschaften fördern kann, bestreite ich nicht. Aber als moderne Leistungsgesellschaft führen sie zur Spaltung. Auch wenn du in der kleinen Dipl. Arbeit versuchst, es anders zu erläutern.

        1. Monica sagt:

          Lieber Karlheinz, (sodele!)
          Es liegt mir fern, Dich als Mensch zu “bewerten”. Zugänglich sind mir Deine Kommentare und deren Stil. So wertest Du ja klar, dass D e i n e r Meinung nach, das Thema sich nicht für unseren philosophischen Stammtisch eigne. Eine Meinung, der ich widerspreche. Ich vermute, dass Deine negative Beurteilung von Bürgerräten u.ä. von Deiner (einmaligen?) negativen Erfahrung herrührt, die ich unten ja als Problem erläutere- und auch von anderen Teilnehmer*innen aus Prien hörte.

  4. hans-peter kuhn sagt:

    Mir ist nicht ganz klar wie 160 Bürger repräsentativ sein können für 80 Millionen.
    Kann mich auch an die Statistikkurse in der Uni kaum noch erinnern.
    Finde es aber völlig OK auch mal was Neues zu probieren, vor allem wenn da a priori nichts schief gehen kann.
    Das Buch zu dem Thema (David von Reybrouck) liefert wohl einige interessante Ansätze.
    Hoffentlich hat Detlev das Buch schon, dann kann ich es ab dem Wochenende lesen.

    1. Detlev Six sagt:

      Den 160, die morgen im Bundestag gezogen werden, liegt ein mehrstufiges Vorauswahl-Verfahren zu Grunde, das dann wohl gleichwertig zu der uns bekannten 2000-er Stichprobe ist. Aber bitte, eine fundierte Stichproben-Kritik kann ich nicht leisten. Die Idee des Bürgerrats – mit allen methodischen Schwächen – ist mir als Impuls wichtiger.

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